Die Schattenseiten unserer „Arschengel“, wie Robert Betz unsere “Knöpfchendrücker“ nennt, erlauben es uns, unserer eigenen Schattenseiten zu entfliehen.
Ob Groll, Ärger, Wut, Hass, Ohnmacht, Kleinheit / Minderwertigkeit, Schuldgefühle oder ein schlechtes Gewissen, Neid oder Eifersucht. Ganz gleich, was ein anderer Mensch tut, egal wie verletzend, enttäuschend oder sonst was sein Verhalten uns gegenüber ist, er löst in uns immer nur ein Gefühl aus, das bereits vorher in uns war. Unser Verstand glaubt, der andere sei der Verursacher des Gefühls, in Wahrheit jedoch ruft der „Knopfdrücker“ ein Gefühl in uns wach, das zu uns selbst gehört. Er erinnert uns daran, dass da etwas in uns ist, mit dem wir noch nicht in Frieden sind. Etwas, dass wir noch nicht in unsere Persönlichkeit integriert haben.
Eine Unvollkommenheit am anderen ist doch die ideale Gelegenheit, von unserem Schatten abzulenken! Wir übertragen „negative Energie“ auf unser Gegenüber: Die Prahlerei vom Kollegen, der Ehrgeiz der Partnerin, die Penetranz des Chefs, das Rumprollen der Nachbarin, der Kontrollwahn des Bruders, die Zügellosigkeit der Freundin…
Natürlich gelingt uns das nur bedingt. Unser psychischer Apparat ist nämlich ausgefuchst. Verleugnen wir unsere Wut, ziehen wir aggressive Menschen an. Wir unterdrücken unseren eigenen Zorn und verurteilen zugleich diejenigen, die ihre Wut offenherzig ausleben. Der klassische Fall von Abspaltung und Projektion. Genauso verhält es sich auch mit unserer Selbstabwertung. Wenn wir mangelnde Selbstliebe verdrängen oder überkompensieren, ziehen wir Menschen in unser Leben, die ihre Liebe zu uns ebenso an Bedingungen knüpfen anstatt selbstlos zu lieben. So geraten wir immer wieder aufs Neue darüber ins Staunen, dass wir emotionale Sparschweine in unser Leben ziehen.
Dabei liegt die Antwort auf der Hand: Wir haben unseren Schatten noch nicht bearbeitet! Wir treten also immerzu mit unseren eigenen unterdrückten Gefühlen in Kontakt, indem wir sie in anderen Menschen „ertappen“. Sie sind es, die unsere verborgenen Gefühle, Sehnsüchte und Bedürfnisse spiegeln …
Wenn wir unser Unbewusstes überlisten wollen, laden wir die „Arschengel“ nach anfänglicher Verurteilung dazu ein, sie in Beschau zu nehmen. Das erlaubt es uns nämlich, unsere „dunklen“, verdrängten Anteile anzuerkennen und wieder bewusst in Besitz zu nehmen. Letztlich geht es darum, all das, was wir an unseren Menschen ablehnen, aber auch lieben, in uns wiederzuerkennen und anzunehmen. Sobald wir verstehen, dass wir alles in uns tragen, was wir in dem anderen sehen, verändert sich unsere gesamte Welt.
C.G. Jung war überzeugt: Wenn wir unseren Schatten integrieren, dringen wir zu einer tieferen Quelle unseres spirituellen Bewusstseins hervor:
„Um das zu tun, müssen wir mit dem Bösen ringen, dem Schatten entgegentreten. Man wird nicht erleuchtet, wenn man sich Lichtgestalten vorstellt, sondern indem man sich die Dunkelheit bewusstmacht.“
Denn dann leuchten wir in unserer Ganzheit. Wir sind auf dieser Welt, um von all unseren Anteilen zu lernen. Wenn wir es uns erlauben, still zu werden, mutig zu sein und auf unsere innere Stimme zu hören, wenn wir bereit sind, alles anzunehmen, was wir fürchten, können wir über unser Ego und all seine trickreichen Verteidigungsmechanismen hinauswachsen.